Jüdische Gemeinde — Synagoge
1856 erhielten die Juden im Herzogtum Sachsen-Meiningen die bürgerliche Gleichberechtigung. Die letzten Beschränkungen fielen 1869 und die Emanzipation der Juden im Herzogtum Sachsen-Meiningen war abgeschlossen. Bereits 1856 durften sie sich nun in Meiningen nicht mehr nur noch geschäftlich niederlassen, sondern sie durften in Meiningen Häuser erwerben und in der Residenzstadt wohnen. Wenige Jahre später im Jahre 1866 gründete sich in Meiningen eine Israelitische Kultusgemeinde. 1870 erwarb die Gemeinde einen Friedhof an der Nordseite des christlichen Friedhofes an der Berliner Straße. Der liberale Herzog Georg II. erteilte der jüdischen Gemeinde kurze Zeit später die Erlaubnis, eine Synagoge zu errichten. 1881 begann man mit dem Bau der Synagoge und 1883 wurde die im maurischen Stil gebaute Synagoge für die circa 450 Personen oder 81 Familien jüdischen Glaubens in Meiningen eingeweiht. 1887 benannte Georg II. den Pulverrasenweg in Synagogengasse um.
Über die Einweihung berichtete das Meininger Tageblatt vom 16.4.1883 auf zwei Seiten. Dort ist unter anderem zu lesen:
„…..Seine Hoheit der Herzog, Ihre Hoheit die Prinzessin Marie und die Gemahlin Seiner Hoheit des Herzogs, die Freifrau von Heldburg, welche mit große, Gefolge zu der Feier erschienen, wurden vom Herzoglichen Landrabbiner, vom Vorstande und zwei Mitgliedern des Festkomitees zu einer geschmückten Estrade geleitet. ….
Der Einweihungspredigt legte der Festredner das Texteswort zu Grunde: „Gebaut habe ich dir ein Haus, eine Stätte für alle Zeit“ (Könige I, Kap. 8, 13). …. Die allerhöchsten Herrschaften wurden in gleicher Weise wie beim Eingange auch wieder hinausgeleitet, bei welcher Gelegenheit Seine Hoheit der Herzog dem Vernehmen nach dem Herzogl. Landrabbiner Seine höchste Anerkennung und Zufriedenheit über den ganzen Verlauf der Feier in der huldvollsten und gnädigsten Weise zu erkennen gegeben hat. ….“
Der Anwalt Jacob Simon, der sich 1891 als Rechtsanwalt in Meiningen niederließ und ab 1919 den Vorsitz der jüdischen Gemeinde übernahm, schildert in seinen Lebenserinnerungen die Synagoge als verpfuschten Nachbau der Nürnberger Synagoge:
„Die Synagoge ist in den äußersten Winkel gebaut… . Ich habe mich immer darüber geärgert, so oft ich während des Gottesdienstes sie mir betrachtet und darüber nachgedacht habe. Es fehlt ein Vorraum, der Platz für die gottesdienstlichen Handlungen ist viel zu eng, man hat damals sogar vergessen, einen Platz für den Rabbiner vorzubehalten. So ist der Betpult, der eigentlich in die Mitte gehörte, auf die Seite verschoben. Man hat diesen Winkel wirklich gewählt, weil man sich fürchtete und kein Aufhebens erregen wollte….“
(Simon, Jacob, Ein jüdisches Leben in Thüringen. Lebenserinnerungen bis 1930, Köln 2009, S. 241.)
1936 fand der letzte Gottesdienst in der Synagoge statt. In der Reichspogromnacht, am Abend des 9. November 1938, stürmten SA- und SS-Einheiten die Synagoge. Sämtliche Fenster und Türen, die Inneneinrichtung und die Orgel wurden zerstört. Der Rest wurde geplündert und einiges fand sich am nächsten morgen in den Bleichgräben wieder. Kurz darauf musste die jüdische Gemeinde das Grundstück nebst Synagoge verkaufen. 1939 wurde das Gebäude abgetragen und bildet seitdem eine Lücke. Seit 1988 befindet sich an der Stelle eine Gedenktafel.
Bildunterschriften:
01 Synagoge, historische Aufnahme
02 Synagoge mit Leiterwagen nach der Reichspogromnacht, 1938
03 Luftbild der Synagoge